Hinduismus im Religionsunterricht

Wir versuchen, dazu beizutragen, dass der Unterricht im Hinduismus sich lohnend gestaltet und äußern uns hier zu Herausforderungen, mit denen Lehrer zu tun haben, wenn sie sich bemühen, die Tradition genau wiederzugeben. Wir hoffen, die folgenden Richtlinien werden Ihnen in der Praxis nützen.

 

1. Aus den Rahmenplänen Religion der Stadt Hamburg

Die Rahmenpläne legen die Grundlage für den Religionsunterricht and Hamburger Schulen. Gerade der in Hamburg praktizierte offene Religionsunterricht erfordert einen ausgewogenen Umgang auch mit in Europa nicht heimischen Religionen. Folgende Zitate geben allgemeine Richtlinien für den interreligiösen Unterricht:

 

"Es liegt in der didaktischen Verantwortung der Lehrerinnen und Lehrer zu entscheiden,

  • ob die Begegnung und Auseinandersetzung mit der Vielfalt der Religionen, Konfessionen und Denominationen und mit den ihnen zugrunde liegenden Traditionen sowie das Gespräch über persönliche Überzeugungen der Schülerinnen und Schüler zum Ausgangspunkt des Unterrichts gemacht und dann exemplarisch einzelne Traditionen verstärkt unterrichtlich bearbeitet werden,

  • oder ob in der Beschäftigung mit einer exemplarisch ausgewählten religiösen Tradition Erfahrungen und Überzeugungen der Schülerinnen und Schüler zur Sprache gebracht und davon ausgehend die Begegnung und Auseinandersetzung mit anderen religiösen Überlieferungen gesucht werden. Um den Schülerinnen und Schülern eine intensivere Beschäftigung mit ausgewählten religiösen Traditionen oder theologischen Fragestellungen zu ermöglichen, bieten sich phasenweise Formen der inneren bzw. äußeren Differenzierung des Unterrichts an."- Rahmenpläne für Sekundarstufe I und II ab 1.8.2004, Herausgeber: Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Bildung und Sport, Seite 8

"Authentizität: Im Religionsunterricht werden religiöse und weltanschauliche Traditionen entsprechend ihrem Selbstverständnis und in ihrer Bedeutsamkeit für die Schülerinnen und Schüler thematisiert (also nicht in der Perspektive einer neutralen Religionskunde). Unterschiede von Konfessionen und Religionen dürfen nicht verwischt oder harmonisiert werden; Eigentümliches und Besonderes soll sichtbar und Fremdes mit Eigenem konfrontiert werden. Originale Begegnungen, Erkundungen vor Ort, Gespräche mit Mitgliedern der Religionsgemeinschaften sowie authentische Medien, Materialien und Texte fördern eine theologisch angemessene Auseinandersetzung und wirken unaufgeklärten Vorurteilen sowie distanzierter Beliebigkeit entgegen." - Rahmenpläne für Sekundarstufe I und II ab 1.8.2004, Herausgeber: Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Bildung und Sport, Seite 9

"Dabei folgt der Religionsunterricht einem Verständnis von Interreligiosität, in dem Kontroversen und Konflikte keineswegs ausgeblendet werden, in dem aber die Vielfalt der Religionen und Kulturen grundsätzlich als Reichtum und Chance wahrgenommen wird. Deswegen muss die emotionale und intellektuelle Atmosphäre im Unterricht von gegenseitiger Achtung und Neugier, von wachem Interesse für Eigenes und Fremdes getragen werden. Niemand darf sich in seiner Identität missachtet oder bedroht fühlen. Dafür tragen alle am Unterricht Beteiligten eine Mitverantwortung." - Rahmenpläne für Oberstufe Gymnasium ab 1.8.2004, Herausgeber: Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Bildung und Sport, Seite 6

 

2. Wie wir uns als Hindus die Darstellung unserer Religion im Unterricht wünschen

Hier haben wir einige Punkte zusammengetragen, die in Erweiterung des bereits in den Rahmenplänen gesagten detailliert auf den Umgang mit dem Hinduismus anwendbar sind. Diese Hinweise beziehen sich sowohl auf die Unterrichtsgestaltung als auch auf die Auswahl der Schulbücher.

  1. Wenn Sie Hinduismus unterrichten, gehen Sie bitte auf das innere Verständnis, die vorherrschende Weltsicht und die diese begleitenden Werte ein. Sich nur auf äußere Erscheinungen zu konzentrieren, kann dazu beitragen, dass die Tradition als fremdartig oder gar primitiv und abergläubisch empfunden wird. Versuchen Sie deshalb, bei der Darstellung der unterschiedlichen Praktiken immer wieder auf Werte und Schlüsselkonzepte zurückzukommen.

     

  2. Bei Geschichten ist es wichtig, die durch sie dargestellten Werte zu behandeln. Wenn Sie exotische und wenig vertraute Praktiken durchnehmen, ist es ratsam, zunächst einmal leichter zugängliche Konzepte zu erkunden, wie die beteiligten Menschen, gemeinsames Eigentum, Mitgefühl, Familie, gemeinsame Feiern usw.

     

  3. Vorsicht mit Ausdrücken, die Anstoß erregen könnten. Anstatt zum Beispiel "die Götter" zu sagen, benutzen sie bitte "Gottheiten" oder "göttliche Wesen" (weil diese beiden Ausdrücke sowohl den höchsten transzendentalen Gott als auch Halbgötter und Halbgöttinnen einschließen und daher dem ganzen Ausmaß des Hindu-Glaubens besser gerecht werden). Bitte benutzen Sie nicht die Ausdrücke "Götze" oder "Abgott" mit all ihren Nebenbedeutungen, sondern eher "Bildgestalten", "heilige Bildnisse" oder "heilige Statuen". Seien Sie bitte auch mit dem Ausdruck "Mythologie" vorsichtig. Manche Hindus halten viele ihrer Geschichten für wahr (wenn auch auf einer anderen Realitätsebene).

     

  4. Versuchen Sie, den Hinduismus sowohl durch die Augen der Hindus als auch vom westlichen Standpunkt her zu präsentieren. Lassen Sie die Tradition für sich selbst sprechen. Behandeln Sie zum Beispiel das den Hindus eigene Geschichtsverständnis. Eine solche Darstellung kann zu einer interessanten Diskussion über das Wesen der Zeit führen.

     

  5. Ziehen Sie Verbindungen zu anderen Religionen, aber achten Sie darauf, die Identität und Integrität jeder einzelnen zu wahren. Vermeiden Sie unangemessene Parallelen (sprechen Sie also z.B. nicht von der Hindu-Dreieinigkeit, wenn Sie das trimurti Brahma, Vischnu und Schiva behandeln).

     

  6. Beschränken Sie den Hinduismus nicht auf Indien (einschließlich der damit einhergehenden Klischees). Wie andere Religionen auch, wird der Hinduismus inzwischen weltweit praktiziert.

     

  7. Nichtsdestoweniger sind indische Kunst, Musik, Tanz, Kunsthandwerk usw. einnehmende Kennzeichen der Tradition und verhelfen zu einem anregenden Unterrichtserlebnis. Nutzen Sie Form, Farbe, Klang, Geruch und Geschmack! (Traditionell ist die Verbindung zwischen Hindu-Religion und Kultur so gut wie untrennbar.)

     

  8. Unterscheiden Sie zwischen traditionellen Überzeugungen und Werten und modernen Praktiken. Es besteht oft ein großer Unterschied, verursacht besonders durch Auswanderung und Kulturanpassung.

     

  9. Es gibt viele Arten von Hindus - seien sie nicht sparsam mit Worten wie "manche", "viele" oder "die meisten", z.B.: "Viele Hindus leben rein vegetarisch."

     

  10. Suchen Sie Geschichten aus, die die Werte bestätigen, die Sie Ihrer Altersgruppe vermitteln möchten.

     

  11. Achten Sie darauf, bestimmte Sachverhalte nicht einfach abzulehnen oder mit Vorurteilen zu belegen, ohne die Konzepte oder Absichten dahinter zu verstehen, z.B. die Themen Kaste, "heilige" Kuh und vereinbarte Hochzeiten. Vorsicht mit klischeehaften Beschreibungen dieser Themen. Nur die Kehrseite zu betrachten kann jede innewohnende höhere Absicht verdunkeln. Denken Sie daran, dass viele soziale Übel ihre Ursache in der Fehlanwendung bestimmter Prinzipien haben, nicht in den Prinzipien selbst.

     

  12. Vermeiden Sie es, "Kaste" mit dem System der vier varnas und vier aschrams gleichzusetzen. Sie sind nicht gleich, obwohl es natürlich eine Verbindung gibt.

     

  13. Laden Sie Hindus in ihre Schule ein und organisieren Sie Ausflüge zu Tempeln. Solche Veranstaltungen verleihen dem Hinduismus Leben, das nicht allein aus Büchern kommen kann.

     

  14. Das Lernen soll Spaß bringen, für den Schüler wie für den Lehrer!

 

3. Wie wir bei einem anspruchsgerechten Religionsunterricht helfen können

 

Gerne tragen wir nach Kräften zum Hamburger Religionsunterricht bei. Wir sind in der Arbeitsgemeinschaft Interreligiöser Dialog an der Universität Hamburg und im Gesprächskreis Interreligiöser Religionsunterricht am Pädagogisch-Theologischen Institut vertreten und gehören einer der wichtigen Traditionen innerhalb des Hinduismus an.

 

Wir stehen Ihnen zur Verfügung zur Beantwortung von Fragen zur Praxis des Hinduismus und laden Sie gern auch in unser Zentrum zu Hindu-Gottesdiensten und Vorträgen über Themen Ihrer Wahl aus dem Hinduismus ein, an denen Sie mit Ihrer Schulklasse und/oder dem Lehrerkollegium teilnehmen können. Auch nehmen wir Einladungen zur Gestaltung von Programmen an Ihrer Schule an.

 

Ferner helfen wir Ihnen gern bei der Auswahl von Schulbüchern, in denen der Hinduismus wissenschaftlich korrekt und der Tradition angemessen präsentiert wird und geben im Bedarfsfall Anregungen für ein vertiefendes Studium.